
Folgen nun Remakes im Jahrestakt, Capcom?
Das Resident Evil-Franchise erlebte in den vergangenen Jahren einen Aufschwung, wie ihn weder die Fans noch die Gaming-Industrie jemals erträumt hätten. Dabei gestaltet sich Capcoms würziger Zwei-Jahresplan wie ein wohl geölter Dieselmotor, der gerade erst in Fahrt kommt; nach der gelungenen Spin Off-Fortsetzung Resident Evil: Revelations 2 im Jahre 2015 folgte 2017 ein komplettes Reboot der Reihe in Form von Resident Evil 7 und im vergangenen Jahr der Release vom Remake des heiß begehrten zweiten Ablegers Resident Evil 2. Mit so vielen Spielen die der Publisher derzeit veröffentlicht, ist es nicht ganz klar, in welche Richtung es in Zukunft mit der Serie genau gehen wird. Zur größten Überraschung folgte dieses Jahr ein unerwartetes und spontan angekündigtes Remake von Resident Evil 3. Natürlich Hand in Hand mit einem neuwertigen Mehrspielermodus, welcher auf den Namen Resident Evil: Resistance hört. Was will man als Fan der Reihe mehr?
Die Umbrella Corporation greift nach den Sternen
Die grauenhaften Geschehnisse in dem Herrenhaus sind noch nicht einmal ein paar Wochen vergangen und schon wird Jill Valentine, eine Polizistin der Spezialeinheit S.T.A.R.S. in die nächste Katastrophe geschleudert. Die zu dem Arklay Gebirge angrenzende Stadt Raccoon City wird von dem freigesetzten Virus des Umbrella-Untergrundlabors überrascht, welches dafür sorgt, dass die Menschen zu garstigen Untoten mutieren und schreckliche Kreaturen die Straßen unsicher machen. Jills ursprünglicher Plan, die Stadt in den nächsten drei Tagen zu verlassen, wird von dem Besuch eines albtraumhaften Mutanten durchkreuzt, sodass die zierliche Dame etwas verfrüht die Beine in die Hand nehmen muss, um aus der amerikanischen Kleinstadt zu fliehen. Dies gestaltet sich allerdings schwieriger als erhofft, denn die Straßen sind komplett versperrt und der einzig mögliche Fluchtweg bietet sich nur in Zusammenarbeit mit einer Umbrella-eigenen Söldnertruppe. Dieser kann die junge Polizistin zwar nicht so wirklich trauen, mit dem mörderischen Mutanten Nemesis im Nacken bleibt Jill allerdings nichts Anderes übrig.

Nach dem groß gefeierten Remake von Resident Evil 2, war es nur eine Frage der Zeit, bis Capcom den Wünschen der Fans nachkommen und Resident Evil 3 ebenso in überarbeiteter Form auf den Markt bringen würde. Wieder einmal stolpert man in den Schuhen von Jill Valentine von einer unglücklichen Situation in die nächste und muss sich im Minutentakt mit kleineren Zombies und dem grässlichen Über-Mutanten Nemesis prügeln. Auch wenn das Spiel im frischen Anstrich der leistungsstarken RE Engine hervorragend aussieht, ist es ausgesprochen traurig, dass viele der Schwächen aus dem Original 1:1 übernommen wurden. Somit gestaltet sich das gesamte Abenteuer trotz neuer Storyelemente ausgesprochen kurz – selbst wenn man sich wirklich Zeit lässt und die Umgebung gründlich unter die Lupe nimmt, absolviert man den gesamten Storyverlauf innerhalb von acht Stunden. In dieser Zeit wird man von Nemesis durch die zerstörten Gassen von Raccoon City gehetzt, besucht die Polizeistation aus Resident Evil 2 und kommt lediglich erst im neuwertigen Untergrund-Labor von Umbrella so richtig in Stimmung – da endet das Spiel allerdings bereits. Es ist dabei durchaus offensichtlich, dass Capcom beim Design der Protagonistin von Resident Evil 3 mit Gaming-Charakteren wie Nathan Drake und Lara Croft geliebäugelt hat, allerdings passt das Image der von Unglück zu Unglück stolpernden Abenteurerin nicht ganz mit dem einer erprobten Polizistin der S.T.A.R.S.-Spezialeinheit zusammen.

Das schwächelnden Gesamtbild von Resident Evil 3 liegt dabei nicht nur an Jills unglaubwürdiger Performance, sondern hängt mit mehreren Elementen zusammen; die mangelnde, furchterregende Präsenz von Nemesis (er wird nur flüchtig namentlich vorgestellt & erzeugt kurzzeitig Stress aber keine wirkliche Angstmomente) und der generellen, haarsträubenden Raketen- & Sprengstoff-Physik (Nemesis-Raketen prallen stellenweise an Jill ab & C4-Sprengsätze detonieren trotz explodierender Generatoren nicht). Natürlich freut man sich über die Echt-Aufnahmen zu Beginn des Spiels und kann sich auch für den neu eingeführten Charakter Dr. Mark Gorkis begeistern, allerdings sind beide nur sehr flüchtig wirkende Ergänzungen. Viel enttäuschender ist, dass die Sequenzen des Live Selection-Systems gänzlich entfernt wurden, die der linearen Geschichte des Originals zumindest ein bisschen Vielfalt gewährt haben.
Gameplay
Vieles hat sich im Gegensatz zum Playstation 1-Original getan. Die fixierte Kamera weicht nun der klassischen 3rd Person-Perspektive, das Feuern und gleichzeitige Gehen ermöglicht es im Gefecht wesentlich agiler voran zu schreiten und die Zombies agieren aggressiver und natürlicher. Neu im Vergleich zum Resident Evil 2 Remake ist die Möglichkeit vereinzelten Angriffen durch das Drücken der rechten, oberen Schultertaste auszuweichen. Das ist beim überraschend schwammigen Gameplay auch wirklich notwendig, denn die Untoten trachten selbst auf normaler Schwierigkeitsstufe erbarmungslos nach Jills Leben. Wird man von den Zombies überraschend gekrallt, kann man durch das schnelle Drücken der eingeblendeten Taste kurzfristig versuchen sich von dem unerwünschten “Kuschelpartner” zu lösen. Trotz ausreichendem Drücken wurden wir allerdings im Rahmen des Testens durchgehend von unseren Angreifern gebissen. Die klassischen Schreibmaschinen und Itemtruhen feiern auch in Resident Evil 3 wieder ihr Comeback, ebenso wie das Kombinieren von unterschiedlichen Schwarzpulver-Typen zu speziellen Munitionsarten. Die Zahl der fordernden Rätsel kann man zwar auf einer Hand abzählen, dafür gibt es etliche Koffer und Spinds zu öffnen, welche Waffenerweiterungen und ähnliche nützliche Ausrüstungsgegenstände beinhalten.
Multiplayer – Resident Evil Resistance
Zuerst separat von Resident Evil 3 angekündigt und in späterer Folge als ergänzender Mehrspielermodus zu dem Remake vorgestellt, gesellt sich Resident Evil Resistance zu Jills Abenteuer auf die BluRay des Horrorspiels. Überraschend ist dabei die Tatsache, dass die beiden Softwares separat voneinander installiert werden und somit beide wie individuelle Teile zu sehen sind.

Dreh- und Wendepunkt in dem Multiplayerspiel ist es aus dem Versuchsgebiet der Umbrella Corporation zu entkommen – Mal aus der Sicht der vier Überlebenden, mal aus der Sicht des Masterminds, also dem leitenden Forscher. Dieses 4-gegen-1-Spiel erstreckt sich über drei Runden beziehungsweise drei separate Areale, in denen die Überlebenden gegen Umbrella-Monster kämpfen und spezielle Puzzle- oder Schlüsselteile zum Öffnen von Türen sammeln müssen. Den vermeintlichen Versuchskaninchen bleiben insgesamt fünf Minuten Zeit, jede Tötung von Monstern verschafft zusätzliche Sekunden, jeder erlittene Schaden zieht nicht nur Leben sondern auch wertvolle Zeit ab. Während die Überlebenden wie auch im Hauptabenteuer aus der Third Person-Perspektive gesteuert werden, überwacht das Mastermind das gesamte Areal über die Kameras an den Wänden. Aus der sicheren Entfernung werden Fallen gelegt, Monster aus dem Boden hervorgerufen oder spezielle Geschütze hochgefahren, mit denen man die flüchtenden Vier beschießen kann. Diese wehren sich dafür mit Schusswaffen und Granaten, sammeln Umbrella Credits auf, um bessere Waffen zu erstehen und bemühen sich nach dem Absolvieren sämtlicher Aufgaben das Areal sicher zu verlassen. Hat man die drei Areale überlebt, wird man je nach Leistung mit Result Points belohnt, welche gegen besseres Equipment und optische Charakter-Verschönerungen eingetauscht werden können.

Derzeit gibt es vier Karten, vier Masterminds und sechs unterschiedliche Survival-Charaktere zur Auswahl, wobei Jill Valentine seit 17. April 2020 zu den Reihen der Überlebenden dazu gestoßen ist. Capcom hat bereits weitere, kostenfreie Spielfiguren und Karten in Aussicht gestellt hat. Das Besondere an diesen Figuren ist, dass jede eine spezielle Fähigkeit hat, welche sie im Überlebenskampf effektiver werden lässt. So findet Valerie beispielsweise auf Knopfdruck dank ihrer Überlebensinstinkte gesuchte Items und Ziele, Jan setzt Kameras des Masterminds mit ihren Hacker-Fähigkeiten außer Kraft und Tyrone fegt mit seinen Kicks selbst die größten Gegner von ihren Beinen. Je öfter man die einzelnen Charaktere spielt, umso höher steigen ihre Ränge und somit auch ihr Sortiment an auswählbaren Fähigkeiten und Ausrüstungsgegenständen. An dieser Stelle ist es ziemlich ärgerlich, dass Wunsch-Charaktere beim Starten einer neuen Runde von schnelleren Spielern blockiert werden können, sodass man gegebenenfalls öfters ungewollt die Spielfigur wechseln muss. Eine sofortige Wiederholung der drei Spielrunden mit den gleichen Spielern ist derzeit nicht möglich. Auch eine allgemeine Statistik, die visualisiert welche Errungenschaften man bereits mit einzelnen Spielfiguren erreicht hat, gibt es leider noch nicht.
Grafik
Raccoon City erstrahlt abermals im gruseligsten Licht und zeigt sich von seiner dunkelsten Seite. Während man sich in Resident Evil 2 hauptsächlich auf das Polizeigebäude konzentriert hat, gewährt die direkte Fortsetzung mehr Einblicke in Straßen der amerikanischen Kleinstadt, sodass man einen verwüsteten Donut-Laden, ein kleines Elektrowerk, das lokale U-Bahn-Netzwerk, den ikonischen Kirchturm sowie ein verstecktes Labor der Umbrella Corporation zu Gesicht bekommt. Die Stimmung ist bedrückend und vermittelt hervorragend das chaotische Bild der von Zombies überrannten Stadt. Die wankenden Untoten sind abermals ein Highlight, selten haben die torkelnden Friedhofsdeserteure den Spieler passiv so unter Druck gesetzt wie in diesem Spiel. Gelegentlich ist es zwar etwas nervig, wenn ein durchschnittlicher Gegner nach dem zehnten Kopfschuss mit dem Sturmgewehr immer noch gurgelnd nach dem Leben des Spielers trachtet, es ist aber ein sehr eindeutiger Wink mit dem Zaunpfahl, dass die Flucht und nicht das Töten der Zombies in Resident Evil 3 das primäre Ziel ist. An dieser Stelle enttäuscht nur ein wenig, dass eine Vielzahl von Gegnern nicht in der Lage sind, Jill durch Türen zu folgen (sogar Nemesis wartet lieber geduldig vor den Fenstern des Spielwarenladens) oder lieber fauchend mit den Krallen gegen die Türe trommeln (und glitchen), um anschließend wieder seelenruhig ihren Platz im Raum einzunehmen.

Die Real-Aufnahmen zu Beginn des Spieles sind eine sehr positive Überraschung, schade ist nur, dass es die einzige kurze Aufnahme war, die in das Spiel eingefügt wurde. Ein beeindruckender Hingucker ist auf alle Fälle Nemesis, welcher von seinem Plastiksarg zu Beginn über die Müllsack-Vermummung in den ersten Spielminuten bis hin zu dem gigantischen Monster-Koloss eine faszinierende optische Verwandlung erlebt. Da ist es fast schon traurig, dass der entstellte Bösewicht in dem gesamten Spielverlauf den markanten “S.T.A.R.S.”-Schrei lediglich vereinzelte Male von sich gibt und sein Name ebenso wie die Angst durch seine furchterregenden Verfolgungsjagden eher im Hintergrund bleiben. Hinsichtlich Gegnerdesign und Angriffsablauf hätten die Entwickler sich allerdings nicht nur auf Nemesis konzentrieren beziehungsweise diese besser überlegen sollen. So ist beispielsweise der gefährlichste Angriff des neu eingeführten Parasiten-Gegners Drain Deimos ein Manöver, welches Jill Valentine mehrmals in eine quasi-Deepthroating-Sequenz verwickelt.

Sämtliche Charaktermodelle sehen dabei optisch ebenso beeindruckend aus wie die zerstörte Kleinstadt – allerdings nur aus der Entfernung, denn wenn man sich einzelne Elemente aus der Nähe ansieht, dann sieht man, dass den Entwicklern die Liebe fürs Detail verloren gegangen ist. Warnschilder oder die Dosen in den Getränke-Automaten sehen bei genauerer Betrachtung sehr oberflächlich designt aus. Es erweckt den Anschein, als solle man Resident Evil 3 auch nicht wirklich genauer betrachten, sondern nur mal eben rasch durchspielen.
Sound
Fans der Reihe können sich über ein paar wirklich gut überarbeitete Soundtracks des Originals gefasst machen – spätestens beim Speicherraum fällt einem diese gern gehörte Wohltat für die Ohren auf. PlayStation 4-Nutzer können sich über sporadisch erfolgende Funksprüche aus den Lautsprechern des Controllers freuen und man generell behaupten, dass die Synchronstimmen sowohl in der deutschen als auch in der englischen Fassung gut gewählt wurden. Dies kann man leider nicht über den Inhalt der Konversationen behaupten, welche in beiden Sprachen so manches Fremdscham-Gefühl erwecken lässt. Ebenso enttäuschend ist, dass man Nemesis epischen “S.T.A.R.S.”-Schrei, welcher den Spielern in der ursprünglichen Version das Blut in den Adern frieren hat lassen, nur noch in seltenen Momenten zu hören bekommt.
Abschließende Worte
„In der Kürze liegt die Würze“ dürfte sich Capcom scheinbar auch beim neuesten Remake der Resident Evil-Reihe gedacht haben. Mit dem Mehrspieler-Part erweitert sich der Spielspaß von Resident Evil 3 um ein paar Stunden, es ist dennoch wirklich schade, dass man das zerstörte Städtchen Raccoon City und dessen leblosen Zombie-Einwohner nicht mehr „genießen“ kann. Irgendwie scheint Capcom nach wie vor noch nicht ganz entschlossen haben, in welche Richtung es mit der Resident Evil-Reihe gehen soll, daher versucht der Entwickler abermals sämtliche Wünsche der Fans zu befriedigen (Horror, Action & Multiplayer – alles unter eine Haube bringen). Dies hat bereits beim Riesenflop Resident Evil 6 nicht sonderlich gut funktioniert, dafür schafft es Resident Evil 3 dies in wesentlich konzentrierter Form darzubieten. Und irgendwie eleganter. Zu guter Letzt sollte man auch erwähnen, dass ein Gegner wie Nemesis eine hochwertige Präsentation verdient hätte ebenso wie Jill Valentine, deren gequälte Fluchtversuche in dem Spiel zu einer Abfolge Tomb Raider-esque Sequenzen verkommen. Das ist an und für sich nicht schlecht aber der Resident Evil-Reihe eben nicht würdig.

– Raccoon City sieht oberflächlich gut aus…
– Interessanter Multiplayer
– Gut überarbeitete Soundtracks
– Solide Synchronstimmen
– Derzeit kostenfreier Mehrspieler-Content
– … aber nicht bei näherer Betrachtung.
– Unvorteilhafte Multiplayer-Spielerzuweisung
– Sehr viel Recycling aus Resident Evil 2
– Kein Instant-Rematch beim Multiplayer
– Nemesis kommt kaum fürchterlich rüber
– Alles in allem sehr kurz
– Konversationen teilweise zum Fremdschämen