Die Symphonie der mechanischen Gewalt beginnt erneut!

Über zwei Jahre ist es her, seitdem der deutsche Entwickler Deck13 Interactive mit The Surge erstmals eine futuristische SciFi-Version von Dark Souls ins Leben gerufen hat. Das Ergebnis war ein solides Abenteuer in einer von entstellten Menschen und Robotern überrannten Welt, dieses hatte aber hier und da doch ein paar kleinere Mankos, die das Endergebnis etwas trübten. Nun tanzt das Studio mit einer aufgemotzten Fortsetzung an und verspricht mit neuer Story und frischer Location die Patzer des Vorgängers wieder wett zu machen.

Ausflugsziel: One way ticket to Jericho City

Spätestens wenn man zu einem Urlaubsort fliegt und im nächsten Moment in einer Gefängniszelle aus dem Koma erwacht, weiß man, dass man sein Reiseziel mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht so wirklich erreicht hat. Dieses Schicksal widerfährt auch der Spielfigur von The Surge 2, die zu allem Verdruss auch noch Zeuge davon wird, wie sich die Welt seit dem Flugzeugabsturz schlagartig verändert hat – immerhin wurde der gewünschte Ausflugsort Jericho City im Katalog garantiert nicht als “von Cyborgs überrannte Metropole” beworben. Einen Vorteil hat man im Gegensatz zum Protagonisten des Vorgängers dennoch; das Exoskelett wird einem kurze Zeit später nicht mühselig durch einen chirurgischen Eingriff in den Körper implantiert, sondern “nur” angelegt. Das war aber schon die einzige Erleichterung, denn die Straßen von Jericho City werden von Kriminellen und Verrückten heimgesucht und diese scheinen lediglich die Sprache der Gewalt zu verstehen. Bereits nach den ersten paar Gefechten und einem kurzen Gespräch mit einigen Überlebenden wird klar, dass ein omnipräsenter Kult namens The Spark das Sagen hat und sich unterschiedliche Fraktionen gegen diese führende Macht verbunden haben. Zwischen den Fronten gefangen, sucht man aber eigentlich nach einem jungen Mädchen, das mit übernatürlichen Kräften ausgestattet stellenweise durch die Stadt fegt.

Ohne sich auf einen männlichen oder weiblichen Protagonisten zu fixieren, erstellt man sich die Spielfigur zu Beginn des Abenteuers und stolpert so ganz nach eigener Vorstellung durch die unterschiedlichen Bezirke der vielseitigen Stadt. Anfangs kämpft man sich Eck um Eck durch die zerstörten Straßen von Jericho City, stockt sein Exoskelett mit neuen Bauteilen auf und bekommt unter anderem ein Einkaufszentrum, einen Hafen, eine Kathedrale und weitere idyllische Teile der Stadt zu Gesicht. Dank der Abkürzungen erweist sich die verzweigte Spielwelt als gut vernetzt, in späterer Folge nutzt man einen mechanischen Haken, um sich noch schneller fortzubewegen. Die Welt von The Surge 2 ist dabei um ein einiges umfangreicher und vielseitiger als die vom direkten Vorgänger. Überlebende berichten über die Geschehnisse in der zerstörten Stadt, verpassen dem Spieler Nebenaufgaben und sorgen manchmal auch für kurzfristige Überraschungsmomente, allerdings kommen diese Treffen einem oftmals recht gestellt vor. Beispielsweise wird gleich zu Beginn einer der Häftlinge aus seiner Zelle befreit, wobei dieser selbst mehrere Spielstunden später noch im Türstock stehend verharrt, obwohl er angibt in einem der Flüchtlingslager unterzutauchen. Trotz kleiner Ungereimtheiten dieser Art ist der Aufenthalt in der großen Stadt ein sehr abwechslungsreicher und bietet in jeder Hinsicht eine bessere Erfahrung, als dies in den eintönigen Produktionsbereichen des Vorgängers der Fall war.

Gameplay

Erneut gestaltet sich das spielerische Voranschreiten in The Surge 2 blutig und voller Gewalt, immerhin startet man das Abenteuer lediglich mit dem Grundgerüst des Exoskeletts – alle zusätzlichen Erweiterungen sammelt man sich stückweise von den besiegten Gegnern zusammen. Anfangs mit zwei mechanischen Schlagringen bewaffnet, reißt man seinen Gegnern im wahrsten Sinne des Wortes die Gliedmaßen vom Leib und trennt diese somit von ihren Cyborg-Erweiterungen. Die dadurch generierten Blaupausen werden anschließend zusammen mit mechanischen Schrott an den Speicherpunkten zu neuen Waffen und Ausrüstungsgegenständen zusammengebaut. Das Gameplay vom Vorgänger wurde dabei grundsätzlich beibehalten, die beiden rechten Schultertasten stellen nun allerdings horizontale oder vertikale statt starken und schwachen Angriffen dar. Passend dazu hat man die Möglichkeit einzelne Gegner durch das rechtzeitige Parieren ihrer Angriffe kurzfristig zu paralysieren, was diese verwundbar für gezielte Attacken macht. Für jeden besiegten Gegner erhält man eine gewisse Menge an Schrott, welches zum Aufwerten des eigenen Levels verwendet werden kann. Mit jedem neuen Level erhält man zwei Skillpunkte, mit denen man die Gesundheit, die Ausdauer oder die Batterieleistung des Exoskeletts verbessert. Das Ausbauen dieser drei Statuswerte ist essentiell für das Überleben in Jericho City. Je größer die Lebensleiste desto mehr Schaden steckt die Spielfigur ein und je besser die Ausdauer desto mehr Angriffe können getätigt werden. Durch das Landen von Treffern lädt sich zudem die Batterie des Spielers auf, wodurch das Heilen des Protagonisten auf Knopfdruck ermöglicht wird. Neben den unzähligen Waffen (insgesamt an die 50 unterschiedliche) und Ausrüstungsgegenständen findet man auch laufend Blaupausen für Modifikationen, die das Leben in der von Cyborgs überrannten Welt einfacher gestalten sollen. So sieht man beispielsweise aus welcher Richtung die Angriffe des Gegners kommen, damit diese zielgerichtet parieren werden können oder heilt sich durch das Injizieren von Medipacks. Mit steigendem Charakterlevel schaltet man neue Slots für weitere Module frei, sodass man verschiedene passive und aktive Fähigkeiten kombinieren kann.

Natürlich wird für den Bau sämtlicher Items eine große Menge an Metallschrott benötigt. Stirbt die Spielfigur, verliert man vorübergehend die angehamsterte Menge, wobei diese bis zum erneuten Aufsammeln auf dem Ort des Ablebens bereit steht. Schafft man es nicht sich diesen innerhalb der eingeblendeten Zeit wieder anzueignen, sind die Schrottteile verloren. Fairerweise wird man von nicht eingesammeltem Schrott geheilt, solange man sich in dessen unmittelbaren Umgebung befindet, sodass man dieses Feature, beispielsweise bei kniffligen Bosskämpfen, auch zu seinem taktischen Vorteil nutzen kann. Als zusätzliche Unterstützung dient einem eine Auswahl an fliegenden Drohnen, die unterschiedliche Fähigkeiten besitzen; einige greifen die Gegner mit gezielten Schüssen an, andere wiederum heilen den Spieler oder bringen diesen in Sicherheit, sofern man in eine brenzlige Situation gerät. Es ist dabei sehr schade, dass Items wie der Haken ausschließlich zur Verwendung von Abkürzungen zum Einsatz kommt und nicht auch mit in das Kampfsystem eingebaut wurde. The Surge 2 besitzt zwar eine Vielzahl an unterschiedlichen Prügel-Werkzeugen, die selbst im Gefecht auf Knopfdruck ausgetauscht werden können, die Handhabung ist dennoch in den meisten Fällen die gleiche. Da steigert die Tatsache, dass bei niedriger Lebensleiste des Gegners ein imposanter Finisher mit Slow Motion-Enthauptung getätigt werden kann, die Motivation zum Weiterspielen nur zum Beginn des Abenteuers und im Anschluss eher weniger.

Spektakuläre Umgebungen und ein solides Kampfsystem sind aber nicht ausreichend, um aus The Surge 2 einen Bestseller zu machen, denn es benötigt auch dementsprechend fordernde oder zumindest interessante Gegner. Für ein doch sehr Rollenspiel-lastiges Setting ist es an der Stelle irgendwo verständlich, dass sich die durchschnittlichen Gegner recht leicht besiegen lassen und man bei unzureichendem Studieren des Gegnerverhaltens lediglich bei den Bossgegnern zum Handkuss kommt. Das Spiel schwächelt jedoch an dieser Stelle auch an dem Mangel an originellen Endbossen, die lediglich mit einer längeren Lebensleiste und abwechslungsreicheren Angriffen etwas kniffliger zu bewältigen sind.

Multiplayer

Lustigerweise wurde in der Netflix-Serie How to sell drugs online (fast) ein nicht existenter Coop-Modus im Vorgänger als Deutung für einen möglichen Zwei-Spieler-Modus für The Surge 2interpretiert, allerdings besitzt das neue Spiel keine Mehrspieler-Möglichkeit. Stattdessen kann man an bestimmten Stellen kleine Notizen hinterlassen, um andere Spieler vor Gefahren zu warnen und mit einer speziellen Drone Graffitis hinterlassen. Ist man mit dem Internet verbunden, kann man sogar ein Leuchtfeuer in Jericho City platzieren, welches in der Spielwelt von anderen Spielern zu sehen ist. Je besser dieses versteckt wurde, umso mehr Metallschrott bekommt man geschenkt, wenn dieses von anderen Spielen gefunden wird.

Grafik

Statt den sandigen Produktionshallen, in denen das umfangreiche Ausmaß der Zerstörung die einzig große Abwechslung darstellte, folgen in The Surge 2 nun mehrere Abschnitte der Stadt Jericho City mit sehr unterschiedlichen Settings. Die chaotischen Baustellen und zerstörten Gebäude bilden zwar nach wie vor einen wichtigen Teil in der Kulisse, variierende Farbtöne, anschauliche Bauten und die Liebe zum Detail in Sachen makabrer Szenerien machen die Fortsetzung in jeder Hinsicht interessant. Man untersucht die Umgebung aus diesem Grund sehr gerne, alleine schon um die hilfreichen Abkürzungen zu entdecken – abseits davon kann man aber leider nur sehr wenig mit ihr interagieren. Zwar findet man gelegentlich zerstörbare Boxen, wenn diese aber lediglich partial zerlegt wurden, fliegen sie sehr unnatürlich in der Gegend herum und behindern den Spieler teilweise beim Bewegen – was besonders bei starken und schnellen Gegnern immer etwas nervig sein kann.

Die, bereits im Vorgänger sehr ins Auge stechende, Liebe zum Detail, wenn es um die Enthauptungen und Verstümmelungen geht, ist auch in der Fortsetzung beibehalten worden. So darf man sich dank der Finisher-Moves auf zahlreiche, chirurgisch präzise Manöver freuen, bei denen die Gegner von ihren Körperteilen blutig erleichtert werden. So detailliert die Hinrichtungen auch sein mögen, sie machen nicht die Schwäche des allgemeinen optischen Defizits wett. Besonders beim neuen Laden des Spiels sieht man noch vermehrt sehr matte Texturen und auch das Design vereinzelter NPCs und Gegner wirkt stellenweise sehr schleißig. Man darf sich auf jeden Fall über sehr übersichtliche Menüs und ein simples Ausrüstungsmanagement freuen. Viele Gegenstände und Modifikationen lassen sich durch wenige Knopfdrücke und unter Umständen sogar während dem Gefecht umstellen.

Sound

Bereits beim Starten von The Surge 2 wird man mit einem ausgesprochen ruhigen Soundtrack konfrontiert, welcher den Spieler durch das gesamte Spiel begleitet – immerhin hört man ihn jedes Mal beim Pausieren der Geschehnisse. Dieser markant zurückhaltende SciFi-Stil prägt die vollständige Sound-Kulisse des Actionabenteuers, auch wenn es bei vereinzelten Kämpfen etwas rasantere Melodien zu hören gibt. Nahezu alle Konversationen wurden zudem mit Sprachausgabe vertont, sodass man den Text-begleitenden Gesprächen durchgehend auch lauschen kann. Lustig ist auch, dass Charaktere beim wiederholten Stellen der Fragen der Spielfigur recht sarkastisch auf dessen scheinbar lückenhafte Erinnerung reagieren.

Abschließende Worte

The Surge 2 macht eindeutig vieles besser als sein Vorgänger und kann auf kurze Dauer gut unterhalten. Das Kampfsystem hat ein gesundes Upgrade erhalten, die Spielwelt ist ebenfalls einem Lifting unterzogen worden und die Geschichte ist origineller gestaltet. Man merkt ohne Zweifel, dass sich die Entwickler die Kritiken zu dem ersten Teil zu Herzen genommen haben und darf sich über ein ausgereiftes SciFi-Abenteuer freuen. Die Freude hält sich aber genauerer Betrachtung in Grenzen, denn obwohl die Story nun interessanter und die Spielwelt vielseitiger ausgefallen ist, fallen einem doch vereinzelte Ungereimtheiten auf, die spätestens beim Erscheinen des nächsten Ablegers ausgemerzt werden dürften.

– Verbessertes Kampfsystem

– Storyführung um einiges gelungener

– Originelles Leveldesign

– Rund 50 unterschiedliche Waffen

– Detaillierte Verstümmelungsmanöver

– Dürftiges Gegner- & Charakterdesign

– Soundtrack zu ruhig für ein Actionspiel

– Gegner im Gesamten recht unspektakulär