
Ein 20 jähriges Jubiläum um Haaresbreite verpasst!
Vor mehr als zwei Jahrzehnten feierte Capcom gebührend den Release von Resident Evil 2 auf der PlayStation 2 und setzte somit die spannende Geschichte rund um die S.T.A.R.S.- Agenten und den Pharmakonzern Umbrella Corp. nahtlos fort. Das Gesicht der bekannten Marke änderte sich dabei im Laufe der Jahre zunehmend in eine actionlastige Richtung, was verständlicherweise zu einem Verdruss der Fangemeinschaft führte. Zwar veröffentlichte der japanische Videospielhersteller im Jahre 2002 eine komplett überarbeitete Version des ersten Ablegers und im gleichen Jahr Resident Evil Zero, das die Vorgeschichte des Erstlings bildete, das Gesicht der Reihe versprach sich aber ab diesem Zeitpunkt gravierend zu ändern. Erst folgte Resident Evil 4, welches das Gameplay der Serie revolutionierte und anschließend der fünfte und sechste Ableger – diese wurden von Fans lediglich mit gemischten Gefühlen wahrgenommen. Zu sehr hatten sich die Charaktere verändert und zu sehr war die zuvor klar geführte Geschichte von ihrem Weg abgekommen. Mit Resident Evil 7 wagte Capcom 2017 den Sprung in unbekannte Gewässer und brachte die Marke mit dem VR-Setting nicht nur in eine komplett neue Spiele-Dimension, sondern läutete den Relaunch der Reihe ein. Was wie eine herrlich frische Erfahrung begann, endete mit langweiligen Gegnern und wiederholenden Schlauchlevels – scheinbar dürfte den Entwicklern inmitten des kreativen Design-Ergusses „ein kleines Motivations-Hoppala“ unterfahren sein.
Die Ankündigung des nächsten Ablegers ließ nicht sonderlich lange auf sich warten und überraschte mit einem außerordentlichen Management-Sinneswandel; das nächste Spiel führte Gamer zurück nach Raccoon City und zeitgleich zu altbekannten und lieb gewonnenen Charakteren. Es handelt sich dabei um ein Remake von Resident Evil 2, von vielen als Lieblingsteil der Reihe gesehen. Weg von der Action und weg von den mit Gegnern überfüllten Levels, die danach dürsteten mit übermäßiger Waffengewalt bezwungen zu werden und hin zu Rätseln und Munitionsknappheit. Mal sehen, ob Capcom den Erwartungen der Fans diesmal gerecht werden kann.
Zurück nach Raccoon City. Zurück zu den Zombies.
Den ersten Arbeitstag im neuen Job stellt man sich vermutlich etwas anders vor. Anstatt von freundlichen Kollegen begrüßt zu werden und sich mit den typischen Problemen des Zurechtfindens am Arbeitsplatz plagen zu müssen, wird Leon S. Kennedy, seines Zeichens absoluter Polizei-Neuling, mit einer sich im Chaos befindenden und von Untoten überrannten Stadt in Empfang genommen. Zu seinem größten Verdruss wird er von Claire Redfield, der einzige noch lebenden Person, die er beim versuchten Tanken an einer Tankstelle kennenlernt, gleich zu Beginn getrennt, sodass er sich auf eigener Faust durch die Stadt und ihre mit Rätseln und Fallen versehenen Gebäude prügeln muss. Sicher ist, dass dieses Abenteuer den unerfahrenen Polizisten sein gesamtes Leben lang prägen wird.

Capcom hat mit dem Remake von Resident Evil 2 garantiert nicht zu viel versprochen, denn bei dem Spiel handelt es sich nahezu 1:1 um die gleiche Story, welche man knapp vor zwei Jahrzehnten auf der PlayStation 2 erleben durfte. Erneut wählt man vor dem Starten ob man in die Rolle von Claire Redfield oder Leon S. Kennedy schlüpfen möchte und erlebt anschließend eine komplett unabhängige Storyline, die sich nur gelegentlich mit der Geschichte der anderen Spielfigur kreuzt. Die Entwickler haben dabei vereinzelte Szenen und Filmsequenzen einen Tick anders interpretiert als im Original, das Outcome ist aber im Grunde genommen das Gleiche. Die dunklen Straßen der Stadt, die düsteren Korridore des Polizeigebäudes, die verwüstete Kanalisation und die chaotischen Laboratorien sind es, die gepaart mit der bedrückenden Atmosphäre und den erbarmungslosen Gegnern eine perfekte gruselige Harmonie bilden.
Als Fan von Horrorspielen bekommt man mit dem Remake des Klassikers die lang ersehnte Fortsetzung, zudem mit einer zeitgemäßen Steuerung und das ohne von übertriebenen Action-Einlagen genervt zu werden. Wenn man die Geschichte mit einem der beiden Charaktere bewältigt hat, sollte man sich dennoch nicht wundern, eine recht abrupte Endung zu erhalten. Der Grund dafür ist, dass das richtige Ende erst durch das Absolvieren der Story mit der zweiten Spielfigur enthüllt wird. Überraschenderweise hat Capcom beim besagten zweiten Durchgang vereinzelte Stellen in verkürzter Form angebracht (immerhin kennt man manche Szenen bereits aus dem ersten Rundgang), was dem Spiel eine recht forcierte Note verleiht. Im Endeffekt werden Gamer Resident Evil 2 ohnehin des Öfteren durchspielen, immerhin motiviert die Benotung am Ende eines Durchgangs zu einer weiteren Spielrunde.
Gameplay
Natürlich hat Resident Evil 2 seit seinem ersten Erscheinen entwicklungstechnisch eine Menge durchgemacht, dementsprechend wird Leon oder Claire nicht aus einem statisch fixierten Blickwinkel im Raum verfolgt, sondern durch eine Kameraführung direkt hinter deren Schultern. Anders als im Original ist es im Remake endlich auch möglich gleichzeitig zu schießen und zu gehen, was der Spielfigur eine Menge Spielraum lässt, die wandelnden Toten auszuschalten. Die Zombies agieren dementsprechend auch wesentlich klüger als in der ursprünglichen Version, können durch die meisten Türen gehen, Stockwerke wechseln und die Hauptfigur sogar in Gruppen angreifen. Man stirbt oft und leicht. Je nach Schwierigkeitsgrad genügen wenige Bisse der Zombies um die altbekannte Herzfrequenz in den Farben grün, gelb oder rot in der linken, unteren Ecke des Screen aufblinken zu lassen – je nachdem wie stark man verletzt wurde. Will man die Spielfigur heilen, öffnet man ganz in Old School-Manier das Pausenmenü und wählt Heilkräuter oder das Heilspray aus, um sich wieder aufzupäppeln. Das Dezimieren der Zombiemassen ist aber eigentlich nur nebensächlich – Überleben ist angesagt! Oftmals ist es besser sich neben Gegnern vorbei zu schleichen, Zombies lieber voneinander zu trennen oder diese durch einen Schuss ins Bein abzulenken (was einige selbst am Boden kriechend nicht davon abhalten wird, nach dem Leben der Spielfigur zu trachten).
Zur Verteidigung stehen Leon und Claire Schusswaffen, Messer und Granaten zu Verfügung, welche in Haupt- und Subwaffen gegliedert sind. Der größte Unterschied ist, dass lediglich die Subwaffen aktiv und passiv verwendet werden können. Hauptwaffen verwendet die Spielfigur durch das klassische Anvisieren des Gegners mit L2 und dem Schießen mit R2. Drückt man auf L1 und anschließend R2 verwendet man Messer und Blendgranaten, um sich vor entfernten Widersachern zu schützen. Oft kommt es jedoch vor, dass man von außerhalb des Blickwinkels überrascht wird und das verweste Zombiegebiss einem unangenehm nahe kommt. In so einem Fall drückt man lediglich den L1-Button und aktiviert die automatische Verteidigung – vorausgesetzt man hat zuvor eine der Subwaffen aufgesammelt. Lustig an dieser Stelle ist, dass die Spielfigur sich ein Messer zurück holen muss, wenn diese es einem Zombie in den Körper gerammt hat. Dass die Stichwaffen sich mit der Zeit abnutzen, versteht sich von selbst und macht das überlegte Verwenden der Ressourcen zum Dreh- und Wendepunkt des Spiels.

Back to the Roots gilt auch für die Rätsel, für laufendes Item-Management und der ständigen Angst von allem und jedem getötet zu werden. Zu Beginn sucht man im Polizeigebäude sämtliche Räume nach Schlüssel und verwendbaren Gegenständen ab, hortet aufgrund des begrenzten (aber im Laufe des Abenteuers erweiterbaren) Rucksackes sämtliche Items in einer Kiste und wägt die Verwendung der Waffen aufgrund des Munitionsmangels und deren Abnutzbarkeit der Situation entsprechend ab. Die Schießeisen lassen sich zwar mittels sporadisch zu findenden Waffenteilen verbessern, das Treffen der intelligenten Gegner in brenzligen Situationen gestaltet sich dennoch nach wie vor knifflig. Neu ist dabei, dass der schier unaufhörliche Strom von Zombies durch die Fenster des Raccoon City-Polizeireviers mittels aufsammelbaren Barrikaden versiegelt werden kann. Capcom hat es sich auch nicht nehmen lassen spezielle Taschensafes im Spiel zu verstecken, die sich über die Eingabe des Codes in Form eines Minispiels öffnen lassen. Damit man in den zahlreichen Räumlichkeiten keines der wichtigen Items übersieht oder die Zeit nicht unnötig mit dem Suchen von bereits leeren Locations verbringt, werden sämtliche „leere“ Räume auf der Karte blau dargestellt, wogegen Räume mit Items rot gekennzeichnet sind. Diese Karte wird laufend komplettiert, je nachdem ob man weitere Stücke davon im Spiel findet und spezielle Items oder Gerätschaften, mit denen man interagieren kann, auf ihr markiert.
Abseits der lustigen, quer über das gesamte Spiel verstreuten Waschbär-Collectibles gibt es noch zahlreiche Artworks und Charaktermodelle zum Freischalten, welche durch das Erfüllen spezieller Bedingungen verfügbar werden (87 an der Zahl – also weit mehr als die vorhandenen Trophäen).
Grafik
Die ersten Spielminuten schockieren zweifellos am meisten, danach läuft einem im unaufhörlichen Takt ein kalter Schauer über den Rücken. Egal ob in den düsteren Räumen der Polizeistation oder auf den zerstörten Straßen von Raccoon City; Das Remake von Resident Evil 2 kann optisch in jeder Hinsicht begeistern. Die gut positionierten, subtilen Jump Scares gehen Hand in Hand mit einer grandiosen Atmosphäre und verleihen dem Spiel ein herrlich gutes Feeling. Man darf das Ausmaß an Blut und offenen Wunden nicht unterschätzen, denn Capcom bietet den Gamern eine breite Palette an Möglichkeiten die trottenden Zombies zu verstümmeln. Einzelne Gliedmaßen können abgeschossen werden und bei Kopfschüssen entleert sich der gesamte Kopf-Inhalt auf dem Boden. Dementsprechend bleiben die Leichen auch auf dem Boden liegen und verschwinden nicht wie die blubbernde Fleischklumpen-Gegner aus den vorherigen Ablegern. Unachtsame Zombies stolpern auch gelegentlich über ihresgleichen und fallen mitunter auch bei Treppen über das Gelände, was die Spielfigur zu ihrem taktischen Vorteil nutzen kann. Aufgrund der nicht vorhandenen Ladezeiten bei den Türen und Treppen wird man von den Zombies auch verfolgt, wenn man einen Raum verlässt. Man muss an der Stelle anmerken, dass es vereinzelte Rückzugsorte gibt, welche Gegner nicht betreten können. Im schlimmsten Fall bleiben diese dann an einer „unsichtbaren Mauer“ hängen oder „vergessen“ plötzlich nach dem Leben des Spieler zu trachten, sobald er die Safe-Zone betritt. Da dies aber kaum wirklich vorkommt, außer man achtet explizit darauf und lockt die Zombies zu diesen speziellen Arealen, fällt es nicht allzu sehr ins Gewicht.

Sämtliche Charaktere haben im Vergleich zum Original und auch zu den späteren Nachfolgern ein neues Design erhalten. Dadurch erscheinen sie realistischer, vom Schicksal mitgenommener – kurz gesagt um einiges authentischer. Auch die Präsentation oder die Ersteinführung von neuen Gegnern oder Zwischen- und Endbossen ist hervorragend gelungen; Manchmal in Form einer Filmsequenz und manchmal subtil im Eifer des Gefechts. Man muss an dieser Stelle auch anmerken, dass die Zwischenszenen die Story zwar sinngemäß originalgetreu wiedergeben, einige Stellen aber neu interpretieren, was vereinzelten Charakteren einen gänzlich neuen Touch verleiht. Natürlich wird ein Großteil der Atmosphäre nicht nur durch die Lichteffekte und der detaillierten Umgebung, sondern auch über die lebende Stadt und deren Bewohner erreicht. Dementsprechend findet man erneut überall Notizen, Zeitungsberichte und Briefe von der Zeit, in der das Chaos ausgebrochen ist, um sich ein noch besseres Bild malen zu können. Aufmerksame Gamer erhalten mitunter auch durch das Beobachten der Umgebung Zugangscodes für Spinde oder die Drehkombination von Safes (vereinzelte Details sind in Zeitungsberichten, Flyern oder in Graffitti-Form an der Wand zu finden).
Sound
Während der Schleich-Passagen ist man so dermaßen darauf konzentriert nicht zum Mittagessen eines Zombies zu verkommen, dass man oftmals gar nichts vom subtilen und dennoch aussagekräftigen Soundtrack mitbekommt. Erst wenn die klassischen Chöre beim Endbosskampf ertönen und man im Hintergrund das Aufheulen des Alarms realisiert, zeigt sich die Kulisse von ihrer stärksten Seite – davor eher zurückhaltend. Das hält die Entwickler dennoch in keinster Weise davon ab die Gamer mit interessanten Mitteln ins Spielgeschehen hineinzuziehen. Walkie Talkie-Durchsagen werden über die Lautsprecher des PlayStation 4-Controllers abgespielt ebenso wie die Pieps-Melodien der Taschensafes oder das klickende Geräusch eines soeben geöffneten Schlosses. Zwischendurch lässt einen das Stöhnen der Zombies oder das grauenhafte Klappern und Aufschreien der Licker das Blut in den Adern gefrieren.
Abschließende Worte
Wenn man das Spiel wie eine Mischung aus Resident Evil 4 und Resident Evil 2 betrachtet, dann hat das Original lediglich ein zeitgemäß optisches und soundtechnisches Update erhalten. Es wirkt als wäre lediglich das Gameplay vom vierten Ableger in den zweiten Teil integriert worden – abseits dessen hat Capcom Störfaktoren wie die Ladezeiten beim Öffnen der Türen entfernt. Als Fan ist man sehr erfreut diesen Management-Fortschritt bei Capcom und der Resident Evil-Reihe zu sehen, denn es ist gut, dass beides zu den alten, bewährten Werten zurückgekehrt ist und vieles verbessert wurde. So gesehen gibt das Spiel dem Original-Titel eine realistischere Seite.

– Nahezu 1:1-Umsetzung des Originals
– Intelligentes Gegnerverhalten
– Gruselige Atmosphäre
– Zeitgemäße Grafik
– Gut überlegte Gameplay-Neuerungen
– Freischaltbare Artworks & Charaktermodelle
– Überrealistische Schadensmodelle
– Controller-Lautsprecher-Verwendung
– B-Story-Durchgang etwas oberflächlich
– Safe-Zones mit „unsichtbaren Mauern“